Johann Rosenmüller
Hier finden Sie einen kurzen Abriss über das Leben des Komponisten, mit dem sich das Ensemble 1684 vornehmlich befasst:
Rasanter Ausfstieg
Anekdotisch berichtet der Göttinger Geschichtsprofessor Joachim Meyer (1661-1732), dass der Zittauer Kantor Andreas Hammerschmidt (1611-1675) um das Jahr 1650 „zur Meßzeit“ nach Leipzig gekommen und im „dasigen Stadtkeller“ Johann Rosenmüller (1617/191-1684) begegnet sei. Im Verlauf eines angeregten Gesprächs habe Hammerschmidt – ohne zunächst seine Identität preis zu geben – Rosenmüller gefragt, „was dieser denn von des Andreas Hammerschmidts in Zittau Composition hielte„. Das überlieferte Urteil Rosenmüllers ist eindeutig – und harsch: „Es wäre derselbe ein Clausulen Dieb und wenn er [Hammerschmidt] ihm die Manier und die Clausulen [Klauseln] nicht abstöhle, würde er nichts machen können„. Hammerschmidt reagiert darauf nachvollziehbar säuerlich, es kommt zum Streit, sogar zu Handgreiflichkeiten und die beiden müssen mühsam von Umstehenden beruhigt werden.2 Freilich ist bei diesem Bericht von einer Pointierung auszugehen. Aber was für ein Selbstbewusstsein, ja welche Chuzpe, spricht aus der Reaktion Rosenmüllers (die im Kern wohl den Tatsachen entspricht)! Und unmittelbar stellt sich die…
Tiefer Fall
Die öffentliche Meinung ändert sich freilich schlagartig, als Johann Rosenmüller im Frühjahr 1655 aller Ämter enthoben wird und Hals über Kopf aus Leipzig flieht. Was war geschehen? In den Archiven ist nur wenig Konkretes über den Fall zu finden, die Quellen sind erstaunlich schweigsam. Nur allgemein werden in zwei Ratsprotokollen das „von Johann Rosenmüllern bei dieser Stadt erschollene böse Geschrei“ und der „wegen einer Verbrechung flüchtige Johann Rosenmüller“1 erwähnt. Wessen Johann Rosenmüller konkret bezichtigt wird, steht dort nicht. Eine einzige zeitgenössische Quelle gibt genauer Auskunft zu den Anschuldigungen2. Es handelt sich bei diesem Dokument um einen Briefauszug, den ein Dresdner Kanzleikopist im Mai 1655 aus einem offenbar anonym aus Leipzig übersandten Schreiben erstellte. Darin heißt es, dass der Musicus Rosenmüller „der sodomitischen Knabenschänderei“ mit Thomasschülern verdächtig und wohl nach Italien geflohen sei. Unter „Sodomiterei“ wurden in jener Zeit alle nicht-heterosexuellen Beziehung zusammengefasst, also z.B. Homosexualität, sexuelle Handlungen an Tieren und…
Auf der Flucht
Unabhängig davon, wie die Vorfälle aus rechtlicher Sicht zu bewerten wären, für Johann Rosenmüller bedeuten sie einen tiefen Einschnitt. Er, der so lange im Rampenlicht stand, wird über Nacht zur Unperson und führt fortan ein Leben im Dunkeln, abseits der großen Bühnen. Wie undurchdringlich dieses Dunkel ist, lässt sich daran ermessen, dass für die nächsten fast drei Jahrzehnte nur eine Handvoll Hinweise auf sein Leben und Wirken existieren. Und – so scheint es – über den einstigen Star nur mehr hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Anekdotisch ist überliefert, dass Rosenmüller zunächst nach Hamburg flieht1 und dort bis zu zwei Jahre zubringt, bevor er schließlich nach Venedig weiterzieht. Ein neuerer Brieffund legt hingegen nahe, dass der Flüchtige bereits 1655 in Italien eintrifft und sich sofort daran macht, eine neue (musikalische) Existenz aufzubauen. Kontakte und Netzwerke aus Zeiten seines Studienaufenthaltes mögen ihm dabei behilflich gewesen sein. Im genannten Brief, verfasst 1659 vom…
Späte Rückkehr
Die seit den 1660er Jahren gewachsenen Verbindungen Rosenmüllers zum Welfenhof (Hannover, Braunschweig-Lüneburg) ermöglichen dem Komponisten eine späte Rückkehr nach Deutschland. Eine offizielle Rehabilitation hat es nie gegeben, dennoch verpflichtet Herzog Anton Ulrich den inzwischen 65-Jährigen als Kapellmeister nach Wolfenbüttel. Offenbar soll Rosenmüller dessen Hofkapelle neu einrichten und sich auch dem Aufbau der Oper widmen. Eine große Wirkung scheint Rosenmüller indes dort nicht mehr zu entfalten, denn außer einem Opernlibretto, für das er mutmaßlich die Musik liefert, ist nichts aus dieser Zeit erhalten. Ob der Herzog sich insgeheim mehr von seinem Kapellmeister erhoffte oder ob er ihm mit diesem Amt eine persönliche Rehabilitation (für die langjährige Versorgung mit vorzüglichen Kompositionen?) zuteilwerden lassen wollte, ist nicht zu klären. Johann Rosenmüller stirbt in den ersten Septembertagen des Jahres 1684 – und die Sicht auf ihn bleibt auch im Tod ambivalent. Denn zwar scheint es keine großangelegten offiziellen Trauerfeierlichkeiten gegeben zu haben, jedoch existiert…